Democracy & War Online

Informations-Plattform zum Hauptseminar "Demokratischer Frieden - Demokratische Kriege" am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin im Wintersemester 2005/06

31.10.05

Demokratie und Frieden? Erklärungsansätze und Analyseebenen

Sitzung am 1.11.2005

Überblick
Die liberale Vorstellung von einer besonderen Friedfertigkeit demokratischer Staaten lässt sich auf der monadischen Analyseebene nicht nachweisen. Hingegen zeigen die empirischen Erkenntnisse auf der dyadischen Ebene, dass Demokratien gegeneinander keine Kriege führen.

Die liberalen Erklärungsansätze zum Phänomen des demokratischen Friedens gehen von einer engen Verbindung zwischen Herrschaftsform und Konfliktverhalten von Staaten aus. In der liberalen Theoriebildung wird das Ausbleiben von Kriegen zwischen Demokratien auf deren demokratische Verfasstheit zurückgeführt; das außenpolitische Verhalten von Staaten ist hierbei abhängig von den jeweiligen innenpolitischen Interessen- und Machtkonstellationen.

Der von Bruce Russett entwickelte Erklärungsansatz stellt das politische System und die politische Kultur als bestimmende Faktoren der Außenpolitik dar. Demokratien unterliegen demnach Gewaltbeschränkungen, die durch ihre innere Verfasstheit (strukturell und politisch-kulturell) verursacht werden. Auf der dyadischen Ebene ist das Wissen um die außenpolitischen Verhaltensbeschränkungen vorhanden, so dass sich der demokratische Frieden optimal entfalten kann. Weil diese Gewaltbeschränkungen in anderen Verfassungssystemen nicht vorhanden sind, werden diese von Demokratien als Bedrohung wahrgenommen.

Fragen/Anmerkungen/Kritik:

Die liberale Forschung zum demokratischen Frieden konzentrierte sich bisher auf die dyadische Analyseebene, dagegen wurde die systemische Ebene vernachlässigt. Welche Anhaltspunkte können hier für die Analyse erhoben werden? Wie wird das Verhalten von Staaten durch das internationale System, Allianzenbildung, interdemokratischen Institutionen etc. beeinflusst?

James L. Ray zufolge ist der Zusammenhang zwischen Demokratie und Frieden grundlegend durch den Faktor Demokratie bestimmt. Ist es plausibel, Faktoren wie z.B. politische Stabilität aus der Analyse auszublenden?

Eine zentrale Annahme der liberalen Theorie für die Erklärung des demokratischen Friedens ist die (innen- und außenpolitische) Unteilbarkeit „kulturell geprägter Verhaltensdispositionen“ (Hasenclever, 206). Wie plausibel ist dieses Theorem?

Im Mittelpunkt der liberalen Theorie steht die Rechenschaftspflicht gewählter Regierungen gegenüber der Bevölkerung, die im Falle militärischer Interventionen vom Regierungshandeln „überzeugt“ werden muss. Diese vorsichtige Formulierung ignoriert jedoch, dass Kriegsvorbereitung und Militäreinsätze mit einer Militarisierung der Gesellschaft und dem Abbau demokratischer Rechte einhergehen.

Wie gehen liberale Erklärungsansätze zum demokratischen Frieden mit dem Widerspruch um, dass Demokratien sich einerseits Autokratien gegenüber deutlich aggressiver verhalten, andererseits enge Beziehungen zu diesen unterhalten?

Links zu den Autoren:
Bruce M. Russett


James Lee Ray


Andreas Hasenclever



bearbeitet von Nadine, Kai, Tobias & Katharina

29.10.05

Erste Ergebnisse / weiterführende Fragen

Erwartungsgemäß hat die erste Seminarsitzung noch keine hinreichenden Antworten produziert, sondern grundlegende thematische Fragen aufgeworfen. Im Zentrum steht das Kernproblem, welche Qualität und Reichweite eine Theorie des demokratischen Friedens überhaupt haben muss, um die Schattenseite des demokratischen Kriegs- und Interventionsverhaltens theoretisch zu integrieren. Als Punkt von besonderer Bedeutung erwies sich in der an das Referat anschließenden Diskussion das weitere wissenschaftlich-methodische Vorgehen, insbesondere Fragen zu Messverfahren und den Verhältnissen von möglichen Variablen und Konstanten.

1. Kann allein der Nachweis einer Korrelation von Demokratie und Frieden aussagekräftig sein? Wird nicht vielmehr der Nachweis eines Kausalitätszusammenhanges benötigt?

2. Ist eine unabhängige Betrachtung der Variablen Demokratie und Frieden möglich?

3. Wie kann man die Variablen Demokratie sowie Frieden/Krieg messen? Ist ein nominales Messniveau (z.B. „Krieg = bewaffnete Auseinandersetzung souveräner Staaten mit mehr als 1.000 gefallenen Soldaten“) der Komplexität des Themas angemessen?

> Ein alternativer Vorschlag zum Bestimmen von Demokratie: Transparenz-Indizes für Presse, Staatsorgane, Korruption usw. als Basis.

4. Reicht die bisherige Zahl der Fälle demokratischen Friedens für eine empirische Erhebung/Aussage überhaupt aus?

5. Muss eine aussagekräftige Theorie zum Themenkomplex nicht alle Analyseebenen (systemisch/dyadisch/monadisch) einschließen? Wie können die Analyseebenen zusammengebracht werden?

bearbeitet von Tim Tolsdorff

24.10.05

Reflektionen über Krieg und Frieden

Sitzung am 25.10.2005

Thesen/Fragestellungen
Jack S. Levy behauptet, dass das Ausbleiben von Krieg zwischen demokratischen Staaten eine der auffälligsten empirischen Regelmäßigkeiten in den Internationalen Beziehungen ist. Dennoch ist es umstritten, ob es sich dabei um eine Gesetzmäßigkeit im strengen Sinn handelt. Ist die demokratische Verfasstheit zweier Staaten schon hinreichende (gesetzmäßige) Bedingung für Frieden untereinander? Zunächst einmal handelt es sich beim Demokratischen Frieden schließlich nur um die auffällig hohe Korrelation zweier Variablen, die nichts über kausalen Mechanismus, Richtung des Zusammenhangs und die Natur der Variablen aussagt. Zum Beispiel kann man womöglich weder „Demokratie“ noch „Frieden“ sinnvoll auf nominalem Messniveau (an/aus, ja/nein) ausdrücken. Außerdem ist die Frage nach der geeigneten Analyseebene zentral und beeinflusst die Messergebnisse: sind die Strukturmerkmale des internationalen Systems für zwischenstaatliches Verhalten entscheidend? Oder sollten wir Einzelstaaten, Staatenpaare, regionale (Sub-)Systeme untersuchen? Levy spricht sich für einen multi-methodischen Ansatz auf mehreren dieser Ebenen aus. Was sind die Vorteile davon? Kann man auf diese Weise eine zuverlässige und überprüfbare Theorie des demokratischen Frieden entwickeln?

Fragen
Verläuft der kausale Zusammenhang von Demokratie zu Frieden oder von Frieden zu Demokratie?

Wie kann man den Zusammenhang verifizieren, angesichts der relativ geringen Fallanzahl und der üblichen Probleme induktiver Theoriebildung?

Wie geht man mit dem Widerspruch um, dass Demokratien – entgegen Kants Annahme – nicht per se friedlicher sind, sondern lediglich auf dyadischer Ebene so erscheinen?

Besteht zwischen den Phänomenen „Handel“ und „Frieden“ tatsächlich eine Kausalität? Unter welchem methodologischen Zugriff könnte sich ein derartiger Zusammenhang belegen lassen? Wo liegen hierbei die Reichweiten und Grenzen quantitativer bzw. qualitativer Forschungsansätze?

Welche Rolle spielt die Definition von Krieg innerhalb der liberalen Theorie von Krieg und Frieden? Wie erklären sich Konflikte zwischen Handelspartnern, die unterhalb der Kriegsschwelle stattfinden?

Wie plausibel ist das Argument der „abschreckenden“ Wirkung der hohen Opportunitätskosten, die mit militärischen Auseinandersetzungen einher gehen? Verläuft ein solches Kosten-Nutzen-Kalkül auf einer rein materiellen Ebene? Welche anderen Faktoren können politische Akteure zu kostenintensiven militärischen Engagements verleiten?

bearbeitet von Sofia, Lena & Jan

15.10.05

Antinomien des Demokratischen Friedens

Forschungsprogramm der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK)

Das Theorem des "demokratischen Friedens" gründet sich auf die Beobachtung, dass Demokratien nahezu keine Kriege gegeneinander führen. Dies wird auf die Interessenkalküle und Wertorientierungen der Bürgerinnen und Bürger zurückgeführt sowie auf die Wirkung demokratischer Institutionen. Das neue Forschungsprogramm der HSFK ist der demokratischen Herrschaftsform verpflichtet und geht von den Grundprämissen des Theorems aus. Ein genauer Blick offenbart indes Widersprüche, die einer detaillierten Untersuchung und Erklärung bedürfen. So führen Demokratien zwar nicht gegeneinander Krieg, wohl aber gegen nichtdemokratische Regime - und das bisweilen mit besonderer Aggressivität. Zudem ist der Weg zum "demokratischen Frieden" - die Demokratisierung - oft mit besonderer Gewalttätigkeit gepflastert. Internationale Organisationen wiederum dienen Demokratien zwar als institutionelle Grundlage friedlicher Kooperation, bergen zugleich jedoch das Risiko eines Verlustes demokratischer Kontrolle. Diese und andere kaum berücksichtigte Widersprüche stehen in den kommenden fünf Jahren im Mittelpunkt sowohl der grundlegend wissenschaftlichen als auch der praktisch beratenden Arbeit der HSFK.

http://www.hsfk.de