Democracy & War Online

Informations-Plattform zum Hauptseminar "Demokratischer Frieden - Demokratische Kriege" am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin im Wintersemester 2005/06

22.1.06

Militärstrategische Innovationen

Sitzung am 24.01.2006

Was hat es mit Begriffen wie „intelligenten Präzisionsbomben“ oder „vernetzten Teilstreitkräfte“ tatsächlich auf sich und wie beeinflussen diese militärtechnischen Neuerungen demokratisches Kriegs- und Konfliktverhalten? Die Beantwortung dieser Frage ist das Ziel unseres Referats und der anschließenden Diskussion in der Sitzung am 24. Januar. Die Bedeutung von militärstrategischen Innovationen – in den drei Readertexten von Mölling (2004), Kahl (2004) und Schörnig (2005) als RMA („revolution in military affairs“) zusammengefasst – sowohl für ein Theorem des demokratischen Friedens als auch für die Praxis staatlicher Strategien zur Konfliktbewältigung soll aufgezeigt werden.

Zur Einführung wird das Konzept der RMA und seine Bestandteile, nämlich Aufklärung, Präzision, Datenübertragung und Tarnung erläutert. Besondere Aufmerksamkeit wird der Vernetzung der Waffengattungen und Teilstreitkräfte („netcentric warfare“) und der Bedeutung von Information für die RMA („informationbased warfare“) gewidmet.

Welche Ziele und Motive politische Entscheider in Demokratien dazu bewegen, die RMA zu konzipieren und die Mittel für Planung und Einsatz dieser neue Strategien zu bewilligen, wird im zweiten Teil des Referats beleuchtet. Hier soll gezeigt werden, dass für die politischen Entscheider vor allem innerstaatliche Kosten-Nutzen-Saldierungen und machtpolitische Überlegungen eine große Rolle spielen (z.B. Kostenminimierung, Opferminimierung, Erhöhung der Interventionsfähigkeit).

Anders als in den Planspielen der Politiker und Militärs haben die RMA aber auch negative Folgen, die erst mittelbar oder mit zeitlicher Verzögerung zutage treten. Deshalb ist eine kritische Beurteilung der politischen Folgen der RMA Thema des dritten Referatsteiles. Ein Beispiel: Anhänger der RMA bringen gerne das Argument vor, dass die höhere Effektivität und Spezialisierung hochtechnisierter Truppen einen Ausweg aus dem „security dilemma“ der Atomrüstung darstellt. Sie bedenken aber nicht, dass eine große Asymmetrie zwischen Staaten auf dem Gebiet der konventionellen Truppen den schwächeren Staat dazu verleiten kann, dieses Missverhältnis durch das Erlangen von Nuklearwaffen zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Weitere kritische Faktoren sind z.B. die mangelnde Einbeziehung des Nachkriegsmanagements in das RMA-Konzept (Irak!) oder die Vernachlässigung diplomatischer Mittel zur Beilegung von Konflikten.

Das von seinen Verfechtern so hochgelobte Konzept der RMA hat theoretisch eine große Zahl an negativen Folgen. Einige dieser Folgen haben sich bereits in der Praxis manifestiert, wie das Nachkriegschaos im Irak oder Langzeitschäden durch verstrahlte Präzisionsmunition deutlich machen. Schwerwiegender zu werten sind aber wohl Langzeitschäden sowohl für einen internationalen als auch den demokratischen Frieden. Folgende Fragen möchten wir deshalb zur Diskussion stellen:

1. Inwieweit beeinflusst der Einsatz der neuen Technologien die normative, rationalistische und institutionalistische Erklärung des Demokratischen Friedens?
2. Sind die RMA eine ernstzunehmende Gefahr für das empirische Gesetz des demokratischen Friedens?

Hier noch ein Literaturvorschlag zur Problematik von RMA und Nachkriegsmanagement:

Kagan, Frederick W.: Krieg und Nachkrieg, in: Blätter für deutsche und internationale
Politik 11/2003, S. 1321-1332.